Mein Haus – Mein Auto – Meine Rolex. In Deutschland sei der Neid-Faktor besonders hoch, sagt man.

Seit Social Media ist dieser Trend noch gewachsen:

Beim Scrollen durch die Social-Media-Feeds sehen wir Fotos von Freunden, von Celebrities, von anderen Menschen, die vielleicht in exotischen Urlauben sind oder sogar unter Palmen arbeiten, berufliche Erfolge feiern oder einfach nur glückliche Momente mit ihren Liebsten teilen. Und plötzlich ist er da – dieser kleine Stich des Neids. Warum sind sie so glücklich? Warum läuft bei ihnen alles so gut? Und warum können wir nicht auch so ein perfektes Leben haben?

Der ständige Vergleich suggeriert uns, unser Leben, ohne Palmen, ohne Rolex, ohne Beziehung, ohne xyz – ist weniger wert. „Ohne“ und „weniger“ katapultiert unser Nervensystem sofort in den Mangelzustand, in welchem wir glauben, uns würde etwas fehlen. Und befeuert wird das ganze zusätzlich von der Medienseite, die uns ebenso suggeriert, was wir brauchen, um glücklich zu sein. Allem gemeinsam ist die Konzentration auf das, was nicht da ist: auf den Mangel.

Wir denken selten an das, was wir haben, aber immer an das, was uns fehlt.

Arthur Schopenhauer

Da wir Menschen immer danach streben, uns selbst zu optimieren, und ständig sehen, was uns vermeintlich fehlt – ruft dies, unreflektiert – einen Alarmzustand in unserem Nervensystem aus. Um diesen zu normalisieren, beruhigen wir uns und füllen „die Leere“ mit: übermäßigen Essen, Alkohol oder Shopping. Die Leere mit diesen Dingen zu füllen, wird nicht gelingen. Wir sehen – und fühlen vor allen Dingen – nicht, was wir haben, sondern vor allem, was wir nicht haben.

Raus aus dem Neid - Coaching Christine Rudolph

Neid entsteht aus dem Gefühl von Mangel

Und das Gefühl von Mangel impliziert eine Opferhaltung. Du fühlst Dich als Opfer der Umstände: der fehlenden Ressourcen, der Politik, der Firma, wegen dem Haus etc. All dies sind Verhaltensweisen, die ein Mensch, der sich selbst als Opfer – und nicht als machtvoller Gestalter seines eigenen Lebens – sieht, anwendet. Dies geschieht meist sehr unbewusst.

Was ist die Opferrolle?

Die Rolle des Opfers ist eine Rolle, die jemand unbewusst immer wieder einnimmt, meist, weil es so erlernt wurde. Das Opfer ist immer derjenige, der die Umstände verantwortlich macht und selbst keine Verantwortung übernehmen will. Weder für sich und sein Leben, noch für andere. Im Zweifelsfalle sind „andere Schuld“ und „das Haus ist eben ein Klotz am Bein“. Hier wird weder an Lösungen gearbeitet, noch an die nächsten Schritte für ein glückliches Leben gedacht.

Das, was das Opfer gut kann ist: sich zu beschweren. Über alles und jeden. Das Fatale: er oder sie merkt meist nicht, daß er in dieser Rolle feststeckt.

Das Dilemma des Mitfreuens

Es ist eine Situation, die Du vielleicht auch kennst: Ein Freund teilt eine gute Nachricht – eine Beförderung, eine neue Beziehung, einen persönlicher Erfolg. Du lächelst, gratulierst und zeigst Dich begeistert. Aber tief im Inneren fühlst Du etwas ganz anderes: Neid, Unzufriedenheit, vielleicht sogar Resignation. Statt Dich wirklich mit dem Freund zu freuen, fühlst Du Dich schlechter mit Deinem eigenen Leben.

Besonders dann, wenn Du in Deinem eigenen Leben unzufrieden bist oder Dich leer fühlst. Dann gibt Dir der Erfolg des Freundes vielleicht das Gefühl, zurückgelassen zu werden – als ob wir in einem Rennen sind, das wir nicht gewinnen können.

Aber warum fällt es uns so schwer, uns mit anderen zu freuen? Ein Teil der Antwort liegt in der Art und Weise, wie wir Erfolg und Glück wahrnehmen. Oft sehen wir sie als Nullsummenspiele: Wenn jemand anderes gewinnt, müssen wir zwangsläufig verlieren. Wenn jemand anderes glücklich ist, muss das bedeuten, dass wir unglücklich sind. Aber das ist eine verzerrte Sichtweise. Erfolg – wie auch immer dieser individuell definiert wird – und persönliches Glück sind nicht begrenzt. Die Freude eines anderen nimmt uns nichts weg.

Die sogenannte „Vergleichsfalle“ hat wieder zugeschlagen: Wir vergleichen ständig unser Leben mit dem Leben anderer – und machen davon unseren Wert abhängig. Diese Vergleiche geben uns das Gefühl, nicht genug zu sein, nicht genug zu haben, nicht genug zu erreichen. Sie bringen uns dazu, uns auf das zu konzentrieren, was uns fehlt, anstatt zu schätzen, was wir haben.

Passive Aggression - Coaching Christine Rudolph

Passive Aggression

  • „Du musst ja Geld haben!“ (für den Urlaub in der Karibik z.B.)
  • „Naja, wir gehören ja da nicht dazu. Wir haben immer hart gearbeitet.“
  • „Die können sich´s ja leisten!“
  • „Daß der das nicht peinlich ist, sich so zu zeigen – in ihrem Alter!“

Das sind alles passiv-aggressive Sätze. Beispiele, die treffen können. Sätze, die nicht direkt sind, sondern versteckte Aggression (passiv) ausdrücken. Solche Art von Sätzen sind leider sehr normal im täglichen Umgang von Menschen miteinander. Was immer dahinter steckt, ist der Neid, von welchem derjenige, der so einen Satz sagt, zerfressen ist. Das Nicht-Gönnen von schönen Dingen steckt dahinter und die indirekte Unterstellung, daß zum Beispiel jemand anders für seinen Erfolg NICHT HART GEARBEITET HAT.

Hinter passiv-aggressivem Verhalten und Neid steckt meist Angst. Die Angst, selbst „nicht genug“ zu sein. Minderwertiger zu sein, im Vergleich zu anderen. Da ist er wieder: der Vergleich. Er koppelt besonders bei menschen an, die sich selbst sowieso schon als „weniger wert“ empfinden.

Wie aber kann man dem Neidgefühl entkommen bzw. es gar nicht erst aufkommen lassen?

Die Antwort ist ganz klar: Raus aus der Opferhaltung!

Das Erkennen, daß Du selbst Gestalter Deines Lebens bist. Denn das wahre Glück liegt nicht darin, das Leben anderer zu begehren, sondern darin, das eigene zu schätzen und zu genießen. Ganz ohne Vergleich.

Fünf Wege, den Neid zu überwinden

  1. Innere Selbstreflexion und Selbstbewusstsein – Erkennen der eigenen inneren Themen sowie Stärken und Schwächen.
  2. Dankbarkeit – Wertschätzung für das, was man hat.
  3. Die Opferhaltung loslassen – Verantwortung für das eigene Glück übernehmen.
  4. Realistische Sicht – Unterschied zwischen (Online)-Präsentation und Realität verstehen.
  5. Professionelle Hilfe suchen – Therapie oder Coaching als Unterstützung.

Die innere Arbeit ist dabei das A und O. Gerade auch bei Menschen in Führung: ich betone das immer wieder – ist die Innere Arbeit und vor allem das eigene Kennenlernen mit sich selbst der Schlüssel, um überhaupt führen zu können.

Unreflektierter Neid bei Menschen in Führung: Ein verborgenes Hindernis

In der Welt der Führung ist Neid ein oft übersehenes, aber dennoch präsentes Phänomen. Bei Führungskräften, die sich bisher nicht ausreichend reflektiert haben, kann Neid besonders problematisch sein.

Unreflektierter Neid kann sich in vielfältiger Weise manifestieren. Vielleicht empfindet eine Führungskraft Neid auf einen Kollegen, der mehr Anerkennung erhält oder dessen Team bessere Leistungen erbringt. Oder sie fühlt Neid auf andere Unternehmen, die erfolgreicher zu sein scheinen. Oder dieser Mensch ist sogar neidisch auf einen seiner Mitarbeiter, weil dieser herausragend ist. Eigentlich müsste dieser Chef oder diese Chefin stolz auf so ein Teammitglied sein. Aber er oder sie fühlt sich selbst klein und wenig wert – innen. Nach Außen ist dies meist nicht sichtbar. Dieser Neid kann zu negativen Verhaltensweisen führen, wie Missgunst, Mobbing, und sogar Bossing.

Das Problem ist, dass unreflektierter Neid oft unbemerkt bleibt. Die betroffene Führungskraft mag sich ihrer Gefühle nicht bewusst sein oder sie mag sie ignorieren oder leugnen. Aber auch wenn sie nicht offen angesprochen wird, kann diese Emotion das Urteilsvermögen trüben, die Beziehungen belasten, die gesamte Art der Führung in Frage stellen, bis hin zu Zerstörung von Vertrauen im Fall von Mobbing bzw. einer toxischen Unternehmenskultur im Fall von Bossing.

Um unreflektierten Neid zu überwinden, ist der erste Schritt, ihn zu erkennen und anzuerkennen. Dies erfordert eine ehrliche Selbstreflexion und möglicherweise auch Feedback von anderen.

Unreflektierter Neid kann ein Hindernis sein, aber er muss nicht das Ende der Geschichte sein: lass uns sprechen.

Christine