Angst vor dem Leben läßt die Lebendigkeit absterben.

Ernst Ferstl

Lebendigkeit ist mein Lieblingswort, wenn es um die Beschreibung meiner Arbeit geht: Menschen wieder in ihre Lebendigkeit bringen. Als Therapeutin und Coach kommen Menschen zu mir, die das so nie äußern würden. Aber immer sagen sie „Ich will wieder lachen können… die schönen Dinge geniessen können. Stattdessen hetze ich von einem Termin in den anderen – und sehe keinen Sinn in meinem Leben.“

Sie sind – ganz unbemerkt – un-lebendig geworden. Wie das? Einfach durch zu viel Arbeit? Nein, natürlich nicht. Was ist eigentlich Lebendig Sein? Dazu hat Prof. Dr. Ruppert ein wenig definiert.

Was bedeutet »lebendig sein«?

Menschliches Leben ist atmen, sich bewegen, essen, trinken, ausscheiden, wachsen, aktiv sein, ausruhen, sich öffnen und sich schützen, sich verletzen und sich heilen, spielen, arbeiten, sich geschlechtlich vereinigen, zeugen und gebären, Kindern ins Leben helfen… und schließlich sterben. Lebendig sein lässt sich umschreiben mit Worten wie intensiv, dynamisch, weich, fließend, im Kontakt.

Im Gegensatz dazu weisen Ausdrücke wie blockiert, erstarrt, verhärtet, versteinert, eingefroren, verkalkt, verknöchert, verholzt, rigide, überkontrolliert oder isoliert sein darauf hin, dass ein Organismus nur wenig Lebendigkeit ausstrahlt.

Lebendigkeit ist mit einer Haltung der Freundlichkeit dem eigenen Leben und anderen Lebewesen gegenüber verbunden. Unlebendig sein drückt sich in einer gleichgültigen, gefühllosen, unbeteiligten bis offen feindseligen Haltung aus. Nur auf der Basis ihres Unlebendig-Seins bringen es Menschen fertig, Kriege zu inszenieren, Terroranschläge zu verüben und sich gegenseitig das Leben schwer zu machen. Wer lebendig ist, liebt das Leben.

Um lebendig sein zu können, braucht ein menschlicher Organismus eine lebensfreundliche Umwelt – entsprechend seines Entwicklungsstands. Dazu gehören reine Luft, sauberes Wasser, gute Nahrung, Schutz vor Hitze und Kälte, ausreichende Bewegungsräume, Halt gebende und Autonomie fördernde Beziehungen und vor allem andere Menschen, die konstruktive soziale Systeme entwickeln. Lebendige Menschen gestalten eine gesunde Umwelt. Menschen, die ihre Lebendigkeit eingefroren haben, zerstören ihre Umwelt achtlos und machen die Erde in ihrem Kampf ums Überleben unbewohnbar.

Franz Ruppert, Mein Körper, mein Trauma, mein Ich, Kösel Verlag, 2017, 2. Auflage, S. 14/15
Rote Blätter im Herbst Coaching auf Mallorca

Lebendigkeit spüren wir vor allem dann, wenn wir uns für etwas begeistern.

Ernst Ferstl

Lebendigkeit: begeisternde Freundlichkeit mit allen Wesen

Lebendigkeit im Leben ist demnach:

  • Intensität
  • Dynamik
  • Fließend
  • Kontakt
  • Freundlichkeit

Un-lebendigkeit klingt ganz anders:

  • Blockierung
  • Erstarrung
  • Isolation
  • Gleichgültigkeit
  • Feindseligkeit

Ein Mensch, der un-lebendig geworden ist, arbeitet vielleicht in einem Job, der „sicher“ ist, obwohl er für diesen Job keinerlei Leidenschaft hat. Oder er ist in seinem Leben in vielen (inneren) Konzepten gefangen, die ihm aber wenig bewusst sind. Oder er befindet sich in einer Beziehung „wegen dem Haus“, obwohl er emotional keinerlei Bindung zu der Beziehung hat.

Auf was ich hinaus möchte, ist die Bindungslosigkeit an das, was man tut. Man „tut es eben“. Hat aber nie darüber nachgedacht, ob dies Sinn macht oder nicht und ob es einem Freude macht oder nicht.

Man lebt eben so dahin.

Ja, das machen doch viele so! – klingt es in meinen Ohren. Ja. Eben drum.

Körper und Gefühle getrennt

Bin ich als Mensch und Individuum völlig abgekoppelt von meinen Wünschen, Interessen und Sehnsüchten – dann kommt meist die Wut. Die Frustration. Der Ärger.

Aber dies nicht auf bewusster Ebene. Um die Thematiken, die mich tief im Inneren bewegen, ich aber nicht sehen will, agiert derjenige nach Außen: Es wird Streit angefangen, die Nachbarn kontrolliert, nur gemeckert und neidisch auf andere geguckt. Damit leite ich meinen eigenen inneren Druck – ohne es selbst wahrzunehmen – auf Objekte in meinem Umfeld. Dort kann ich dann kritisieren, was das Zeug hält.

Aber wieso ist dies uns nicht bewusst? Wir wachsen in einer Welt auf, in der das Meckern, das Streiten, das Kritisieren… zur Normalität der Gesellschaft geworden sind. Wir kennen es schlicht nicht anders. Dazu kommt, daß bestimmte Verhaltensweisen belohnt werden. Zum Beispiel gilt es als angesehen, einen vermeintlich sicheren Beruf zu erlernen und dann zu heiraten und Kinder zu bekommen.

Wir hinterfragen nicht.

Und damit fängt Konditionierung, also das „Formen des Menschen“ schon im Kleinkindalter an. Wir lernen, was uns vorgelebt wird. Natürlich. So ist es von der Natur vorgesehen.

Aber was, wenn wir „falsche Dinge lernen“? Weil auch schon unsere Eltern und Großeltern dies so gelernt haben?

Ja, dann passiert die Automatisierung: Das ist „normal“. Jeder macht das so. Und wenn nicht, dann ist derjenige „unnormal“ (und wird oft aus der Gesellschaftz in irgendeiner Form ausgeschlossen).

Aus dem schlichten ungefragten Übernehmen von Verhaltensweisen, Erklärungen und ganzen Weltbildern werden wir zur Kopie unserer Vorfahren. Wir alle. Die Gesellschaft, aus uns allen bestehend, definiert durch die Mehrheit, was als „normal“ gilt und was nicht.

Selbst wenn wir vielleicht doch irgendwann hinnterfragen, trauen wir uns nicht, dies zu sagen, zu zeigen oder sogar etwas ganz anderes zu tun als das, was „anerkannt“ ist. Und da liegt die Krux – oder der Hase im Pfeffer

Wir betrügen uns selbst.

Mit dem, was wir nicht wollen. Was wir tun, um „dazuzugehören“. Mit unserem gesellschaftlich anerkannten Leben. Denn alles andere – unseren eigenen Wünschen zu folgen, macht eines: Angst. Oftmals gar nicht bewusst, aber unserem eigenen Ruf zu folgen, würde bedeuten, aus der bisherigen „Gemeinschaft“, also Nachbarn, Freunde… ggf. ausgeschlossen zu werden. Und diese Angst ist sogar begründet. Denn wer vom Weg abkommt, wird oft als Außenseiter betrachtet, denn er wiedersetzt sich sozusagen dem, was „alle machen“. Und damit macht er den anderen unbewusst Angst.

Und natürlich macht die Angst des Ausgeschlossen-Werdens einem selbst Angst. Dies liegt in unserem ältesten Teil unseres Gehirns begründet und ist dort verankert. Denn Ausgeschlossensein bedeutete einst, schutzlos vor dem Mammut zu sein. Und das wirkt bis heute nach, auch wenn kein Mammut mehr so plötzlich auftaucht.

Also: machen die meisten Menschen eben das, was sie machen sollen.

Der Preis: Un-Lebendigkeit. Wir frieren innerlich ein. Wir funktionieren. Damit wir das – unseren eigenen Betrug – aushalten. Denn Träume sind ja schliesslich nur Schäume – so wurde es uns erzählt.

Was macht das innere Einfrieren mit uns? Es sorgt dafür daß wir nur noch auf „Notstrom“ laufen. Also die wesentlichen „Funktionen“ gesichert sind, so wie Atmen, Verdauen, den Alltag „bewältigen“. Bewältigen heisst „irgendwie durchkommen“.

Wir befinden uns in innerlich andauerndem Stress. Um das auszuhalten, frieren wir ein.

Freeze-Modus als archaischer Shutdown bei Überforderung.

Wir sind im Freeze-Modus.

Ohne es zu merken. Der Freeze-Modus ist einer der Modi der Traumabewältigungsmechanismen oder auch der Mechanismen, die greifen, wenn unser Nervensystem einfach überwältigt oder überfordert ist. Archaisches Notprogramm. Das kann ein Wort sein oder ein Geruch oder einfach ein jahrelanges Tun oder Aushalten in einem Job, den man nicht wirklich wollte. Im Falle von Freeze gehen wir in den Shutdown.

Einfrieren oder „Freeze“ mag viele von uns an einen kalten Wintertag erinnern, an dem alles stillsteht und die Welt in einen frostigen Schlaf versinkt. In Wirklichkeit hat das Wort „Freeze“ jedoch eine Vielzahl von Bedeutungen und Anwendungen.

„Freeze“ in der Psychologie

Im Bereich der Psychologie bezieht sich „Freeze“ auf die Reaktion des Körpers auf eine wahrgenommene Bedrohung oder Gefahr. Es ist Teil der natürlichen „Kampf-oder-Flucht“-Reaktion des Körpers, die auch eine dritte Komponente beinhaltet: Einfrieren. Das Einfrieren kann als vorübergehende Lähmung oder Stillstand auftreten, die den Körper vor potenziellen Raubtieren schützt.

„Freeze“ in der Technologie

In der Technologie bezeichnet „Freeze“ einen Zustand, in dem ein System oder eine Anwendung aufhört zu reagieren oder zu arbeiten. Dies kann aufgrund von Softwarefehlern, Hardwareproblemen oder Überlastungen auftreten. In solchen Fällen ist es oft notwendig, das System neu zu starten oder bestimmte Prozesse zu beenden, um das „Einfrieren“ zu beheben.

„Freeze“ in Kunst und Kultur

In der Tanzkultur, insbesondere im Breakdance, ist ein „Freeze“ eine Position, die ein Tänzer für eine kurze Zeit einnimmt, um einen bestimmten Effekt zu erzielen oder die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln. Diese „Freezes“ können dynamisch und ausdrucksstark sein und erfordern oft erhebliche körperliche Kontrolle und Balance.

„Freeze“ in der Wirtschaft

In der Wirtschaft kann ein „Freeze“ auf eine Periode der Inaktivität oder Stagnation hinweisen. Dies kann aufgrund von regulatorischen Einschränkungen, wirtschaftlichen Abschwüngen oder anderen externen Faktoren auftreten. Ein Gehalts- oder Einstellungsstopp ist ein typisches Beispiel für einen „Freeze“ in der Geschäftswelt.

Obwohl das Wort „Freeze“ in verschiedenen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen haben kann, hat es doch eine gemeinsame Thematik: einen Zustand der Stagnation oder des Stillstands.

Nun ist ein Stillstand oder auch ein Rückzug in sich nichts Schlechtes. Aber im Falle von Freeze geschieht dies meist bewusst unfreiwillig und oft in einer Art von Schock. Lebendiger Rückzug in Bewusstheit hat nichts mit Freeze zu tun.

Freeze ist un-lebendig.

In diesem Zustand können sich Menschen jahre- und auch ein Leben lang befinden. Die Antworten auf Fragen wie „Na, wie gehts?“ lauten dann sehr oft und meistens: „Muss ja.“ oder „Geht schon.“ Eine Freude gibt es nicht. Ich habe sogar schon Menschen getroffen, die sagten, sie wissen gar nicht, was Freude ist. Sie spüren sie nicht.

Sie spüren sich nicht. Das ist der funktionelle Überlebensmodus.

Schön ist es, wenn ein Mensch das Bewusstsein bekommt, daß „irgendwas komisch ist“ – und er daran etwas ändern möchte. Dann gibt es die Möglichkeit, mit ihm in einen Prozeß zu gehen, wie es bei mir der Prozeß Back to the Basics ist oder Elements of Life. Beide zielen auf das (wieder) spüren ab, das Wahrnehmen und das bewußte Ändern des eigenen Lebens.

Das braucht Mut, sicher. Aber wenn der Leidensdruck größer wird, als das Aushalten – und das ist leider meist erst der Startpunkt – dann darf es losgehen.

Ob nun online und/oder mit mir zusammen in der Natur – ich freue mich auf Dich und Deinen Mut, loszugehen.

Deine Christine.