Contents
- Angst als Freund oder Feind?
- Angst ist sozusagen ein Frühwarnsystem: Ein Grenzmarker unserer Komfortzone
- Zuviel Stress und Angst = keine Handlungsfähigkeit
- Die Rolle unserer Gedanken, Denkmustern und Erfahrungen
- Die Gefahr, der Angst das Ruder zu überlassen
- Wie wir die Angst als Werkzeug für Wachstum nutzen können
Angst per se wird oftmals in die Kategorie „negativ“ eingereiht. Ich spreche hier ausschliesslich über die Art der Angst, die uns nicht handeln lässt. Die, die uns in der Komfortzone belässt. Die, von der wir dem Leben von Außen zuschauen, statt selbst hineinzuspringen: in´s Ungewisse. Dabei ist Angst in diesem Fall etwas sehr Sinnvolles in unserem Leben.
Angst als Freund oder Feind?
Sie zeigt uns, bis wohin unsere sogenannte Wohlfühlzone geht – und wo es noch Entwicklungschancen gibt. Die gibt es nämlich dann, wenn Du über die imaginäre Grenze Deiner persönlichen Wohlfühlzone gehen willst. Dann zeigt sich die Angst.
Sie will Dir, gleich einer Alarmlampe, zeigen, wo es aus dem „grünen Sektor“ Deiner erlernten Wohlfühlstrategien heraus geht… in die „Zone gelb“ oder sogar „rot“ (da ist dann richtig viel Angst, wenn die Herausforderung riesengroß erscheint). Dieses Alarmsystem ist ein uraltes, welches uns schon vor dem Tiger rettete und immer, wenn wir vermeintlich in Gefahr waren, anschlug.
Angst ist sozusagen ein Frühwarnsystem: Ein Grenzmarker unserer Komfortzone
Wenn der Termindruck immer größer wird (und uns durch die Flure „jagt“, so wie damals der Tiger…), dann geraten wir in Stress: Unser Alarmsystem springt an. Wir fallen aus unserer Wohlfühltemperatur. Wird Stress zu groß und zu mächtig, setzt er uns körperlich und mental zu.
So funktioniert unsere Programmierung noch heute. Ganz archaisch. Wenn es zuviel wird, geht die „Rote Lampe“ an: „Achtung, Sie verlassen gerade Ihre Wohlfühlzone“. Grundsätzlich eine wunderbare automatische Kontrolle unseres Nervensystems, uns vor Überlastung zu schützen. Aber was heißt eigentlich Überlastung unseres Nervensystems?
Und warum reagieren Menschen unterschiedlich? Manche nehmen die Last gar nicht als solche wahr, andere wiederum brechen bei einem vermeintlich kleinen Auslöser zusammen. Und wiederum andere drehen durch, wenn sie den Gartenschlauch mit einer Schlange verwechseln.
Zuviel Stress und Angst = keine Handlungsfähigkeit
Oder auch: Angst macht dumm.
Im Stress sind wir mental in einem Tunnel gefangen und nur noch eingeschränkt handlungsfähig. Das ist das Zeichen, wenn die „Rote Zone“ erreicht ist. Die Warnungen basieren auf uralten Programmierungen. Archaisch-instinktiv und auf erlernten Denkmustern. Erfahrungen anderer und eigene Erfahrungen, die sich tief in uns eingebrannt haben. Wie die Rillen einer Schallplatte.
Es ist, als ob wir in einem dichten Nebel navigieren, in dem wir kaum sehen können, was direkt vor uns liegt, geschweige denn den Weg, der vor uns liegt. Dies ist das Zeichen, dass wir die „rote Zone“ erreicht haben, den Punkt, an dem Stress und Angst überwältigend werden.
Diese Reaktionen auf Stress und Angst sind tief in uns verwurzelt. Sie basieren auf uralten Programmierungen, die in den frühen Tagen der Menschheit entwickelt wurden, als unsere Vorfahren auf direkte physische Bedrohungen reagieren mussten. Sie basieren auch auf erlernten Denkmustern und Erfahrungen, die sich tief in unser Bewusstsein eingebrannt haben, wie die Rillen in einer Schallplatte, die immer wieder das gleiche Lied spielen.
In solchen Momenten neigen wir dazu, auf der Grundlage unserer Ängste und nicht auf der Grundlage unserer Wünsche oder Ziele zu handeln. Wir gehen davon aus, dass die Dinge so werden, wie sie in der Vergangenheit waren, oder so, wie andere uns aus ihren Erfahrungen prophezeit haben. Indem wir dies tun, geben wir der Angst das Ruder in die Hand. Wir lassen sie unsere Richtung bestimmen, anstatt unseren eigenen Kurs zu steuern.
Aber es ist wichtig zu erkennen, dass diese Reaktion auf Stress und Angst nicht unvermeidlich ist. Es ist möglich, aus dem Tunnel herauszutreten und den Nebel zu lichten. Es ist möglich, unsere Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen und das Ruder unseres Lebens selbst in die Hand zu nehmen.
Es beginnt damit, dass wir unseren Stress und unsere Angst erkennen und akzeptieren, anstatt sie zu ignorieren oder zu vermeiden. Es bedeutet, dass wir uns bewusst dafür entscheiden, auf unsere Ängste zu reagieren, anstatt auf sie zu reagieren. Es bedeutet, dass wir lernen, uns selbst zu beruhigen und unseren Geist zu klären, damit wir klarer sehen und besser navigieren können.
Indem wir dies tun, können wir lernen, unseren Stress und unsere Angst zu bewältigen und sie als Werkzeuge für Wachstum und Entwicklung zu nutzen. Anstatt von ihnen beherrscht zu werden, können wir lernen, sie zu beherrschen. Anstatt sie uns das Ruder in die Hand geben zu lassen, können wir lernen, es selbst in die Hand zu nehmen.
Die Rolle unserer Gedanken, Denkmustern und Erfahrungen
Alles, was Du Dir vorher ausdenkst, wird wahr.
Unsere Gedanken, Denkmuster und Erfahrungen spielen eine entscheidende Rolle in unserem Umgang mit Angst. Sie formen unsere Wahrnehmung unbewusst von selbst. Sie formen unsere Erwartungen, unsere Ängste und unsere Hoffnungen. Sie formen, wie wir auf Herausforderungen reagieren und wie wir mit Stress umgehen.
Nehmen wir zum Beispiel die Angst vor öffentlichen Reden, eine weit verbreitete Angst, die viele Menschen teilen. Diese Angst kann auf einer Vielzahl von Gedanken und Denkmustern basieren. Vielleicht denkst Du, dass Du nicht gut genug bist, dass die Leute Dich beurteilen werden, dass du einen Fehler machen wirst. Diese Gedanken können auf früheren Erfahrungen basieren, wie einer schlechten Erfahrung beim Sprechen in der Öffentlichkeit oder negativem Feedback, das Du in der Vergangenheit erhalten hast.
Diese Gedanken und Erfahrungen formen ein Denkmuster der Angst. Jedes Mal, wenn Du in eine Situation kommst, in der Du öffentlich sprechen musst oder einfach nur irgendwie in die Sichtbarkeit gehst, tritt dieses Denkmuster in Aktion und löst Angst aus. Deine Wohlfühlzone endet dort, wo das öffentliche Sprechen beginnt.
Aber was passiert, wenn Du beginnst, diese Gedanken und Denkmuster zu hinterfragen? Was passiert, wenn Du anfängst, neue Erfahrungen zu sammeln, die diesen Gedanken und Denkmustern widersprechen? Was passiert, wenn Du anfängst, Deine Angst als Signal zu sehen, dass Du gerade dabei bist, aus Deiner Wohlfühlzone herauszutreten und zu wachsen?
Vielleicht beginnst Du, öffentliches Sprechen als eine Gelegenheit zu sehen, Dich selbst auszudrücken und mit anderen zu verbinden. Vielleicht beginnst Du, es als eine Fähigkeit zu sehen, die Du entwickeln kannst – anstatt als eine Bedrohung, die Du vermeiden musst. Vielleicht beginnst Du auch, positive Erfahrungen zu sammeln, die Deine alten, angstbasierten Denkmuster herausfordern – und letztlich erweitern.
Mit der Zeit kann dieses neue Denkmuster dadurch die alten ersetzen. Ich vergleiche dies in meinen Coachings mit den tief eingefahrenen Spure eines Traktors, der Jahr um Jahr denselben Weg fährt und spurt. Wenn Du nun einen anderen Weg mit dem Fahrrad fährst, ist die Spur a) noch nicht vorhanden und b) wird sie auch nicht so tief, denn der Traktor (= die alten Gewohnheiten) ist schwer.
Deshalb braucht es etwas Zeit. Aber dann… kann die Angst vor dem öffentlichen Sprechen nachlassen. Deine Wohlfühlzone kann sich erweitern, um das öffentliche Sprechen einzuschließen. Und Du kannst anfangen, Dich in Situationen zu bewegen, die Du Dir vorher nie hättest vorstellen können. Zum Beispiel zu einem Speaker-Event gehen – in diesem Beispiel.
Das ist die Macht unserer Gedanken, Denkmuster und Erfahrungen. Sie haben die Fähigkeit, unsere Angst zu formen und zu definieren. Aber sie haben auch die Fähigkeit, uns zu helfen, unsere Angst zu überwinden und zu wachsen. Es liegt an uns, diese Macht zu nutzen.
Die Gefahr, der Angst das Ruder zu überlassen
Angst kann – wenn wir mutig sind und sie überwinden – ein mächtiger Motivator sein. Sie kann uns dazu antreiben, uns selbst zu übertreffen, unsere Grenzen zu überschreiten und Neues zu wagen. Aber was passiert, wenn wir der Angst das Ruder unseres Lebens überlassen? Was passiert, wenn wir zulassen, dass die Angst unsere Entscheidungen, unsere Handlungen und letztendlich unseren Lebensweg bestimmt?
Wenn wir der Angst das Ruder überlassen, geben wir die Kontrolle über unser Leben auf. Wir lassen zu, dass unsere Ängste, nicht unsere Träume oder Ziele, den Kurs bestimmen. Statt unser Leben nach unseren eigenen Vorstellungen zu gestalten, lassen wir uns von unseren Ängsten in eine Richtung lenken, die uns möglicherweise nicht erfüllt oder glücklich macht.
Ein Beispiel dafür ist die Angst vor Ablehnung. Wir kennen sie alle. Jeder Mensch, jedes Wesen möchte an sich und mit seinen Talenten „gesehen werden“ und einen Beitrag hier auf dieser Erde leisten, sei es, mit einer floristischen Arbeit, mit einer Lehrtätigkeit, als Forscher oder Ingenieur oder als Goldschmied.
Stell dir vor, Du hast eine Leidenschaft für die Kunst und träumst davon, Künstler zu werden. Aber die Angst vor Ablehnung und eventuellem Misserfolg hält Dich davon ab, diesen Traum zu verfolgen. Stattdessen entscheidest du Dich für einen „sicheren“, aber für Dich völlig ungeeigneten und unerfüllenden Job. Du hast der Angst das Ruder überlassen und sie hat Dich in eine Richtung gesteuert, die nicht Deinem wahren Selbst oder Deinen tiefsten Wünschen entspricht.
Das Überlassen des Ruders an die Angst kann auch dazu führen, dass wir Chancen verpassen und uns selbst einschränken. Angst kann uns davon abhalten, Risiken einzugehen, neue Erfahrungen zu machen oder uns auf unbekanntes Terrain zu wagen. Sie hält uns in unserer Komfortzone gefangen und hindert uns daran, unser volles Potenzial zu entfalten.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Angst an sich nicht das Problem ist. Angst ist eine natürliche menschliche Emotion, die uns vor potenziellen Gefahren warnt und uns hilft, uns auf Herausforderungen vorzubereiten. Das Problem entsteht, wenn wir unsere Ängste unsere Entscheidungen und Handlungen bestimmen lassen.
Die Lösung besteht nicht darin, die Angst zu eliminieren oder zu ignorieren, sondern darin, zu lernen, mit ihr umzugehen. Es geht darum, sie als das zu erkennen, was sie ist: ein Frühwarnsystem, das uns auf potenzielle Gefahren hinweist, nicht ein Kapitän, der unser Schiff steuert.
Es geht darum, das Ruder fest in der Hand zu behalten und unser Leben in die Richtung zu lenken, die wir wählen, nicht die, die unsere Ängste vorgeben. Es geht darum, die Kontrolle über unser eigenes Leben zu behalten und uns von unseren Träumen und Zielen, nicht von unseren Ängsten, leiten zu lassen.
Christine Rudolph
Wie wir die Angst als Werkzeug für Wachstum nutzen können
Angst muss – und darf nicht – unser Feind sein. Tatsächlich kann sie, wenn sie richtig genutzt wird, ein mächtiges Werkzeug für persönliches Wachstum und Entwicklung sein. Anstatt sie zu fürchten oder zu vermeiden, können wir lernen, sie anzuerkennen und sie als eine Quelle von Erkenntnis und Inspiration zu nutzen.
Anstatt unsere Angst zu ignorieren oder zu unterdrücken, dürfen wir sie akzeptieren und sie als einen Teil von uns selbst anerkennen. Angst ist eine natürliche menschliche Emotion, und es ist normal, sie in bestimmten Situationen zu empfinden.
Nun können wir auf Spurensuche gehen. Woher kommt sie? Was löst sie aus? Ist sie real? Was sagt sie uns über uns selbst und unsere Werte? Durch das Verstehen unserer Angst können wir wertvolle Einsichten in uns selbst, über die Grenzen unserer Wohlfühlzone und unsere Bedürfnisse gewinnen.
Anstatt sie uns lähmen zu lassen, können wir sie als einen Push nutzen, um uns selbst aus unserer Komfortzone herauszubefördern. Sie ist Teil unserer Reise, und nicht ein Hindernis auf unserem Lebensweg.
Wie können wir unsere Angst als Werkzeug für unser Wachstum nutzen? Angst heisst ja immer die Furcht vor etwas Neuem. Vor der Veränderung. Schliesslich kennen wir das Neue noch nicht. Wichtig sind diese fünf Schritte:
- Akzeptiere Deine Angst: Erkenne sie als eine natürliche menschliche Emotion an und erlaube Dir, sie zu fühlen, ohne sie zu bewerten oder zu verurteilen.
- Verstehe Deine Angst: Untersuche, was Deine Angst auslöst und was sie über Dich und Deine Werte aussagt.
- Nutze Deine Angst als Motivation: Lasse Deine Angst Dich dazu antreiben, deine Komfortzone zu verlassen und neue Herausforderungen anzunehmen.
- Transformiere Deine Angst: Lerne, Deine Angst in positive Emotionen wie Begeisterung, Neugier oder Entschlossenheit umzuwandeln.
- Übe Achtsamkeit: Nutze Techniken wie Meditation oder achtsames Atmen, um Dein Nervensystem zu beruhigen und einen klareren, objektiveren Blick auf die Situation zu gewinnen.
Ich bin gerne dafür an Deiner Seite – lass uns sprechen.
Deine Christine