Contents
- Wo sind all die Träume hin?
- Was genau bedeutet Selbstverantwortung?
- Fremdbestimmt: Das gesellschaftliche “Normal”, welches selten hinterfragt wird
- Wieso machen Menschen mit Selbstverantwortung morgens ihr Bett – und wieso dies unser Nervensystem stabilisiert
- Was bedeutet Selbstverantwortung ganz konkret?
- Gamechanger für Deine Selbstverantwortung in einer fremdbestimmten Welt
Selbstverantwortung beginnt da, wo Fremdbestimmung aufhört.
Verantwortungsvoll handelt nur, wer seiner inneren Stimme folgt. Moral ist Flucht vor Verantwortung.
Andreas Tenzer
Mach das Abitur, haben sie gesagt. Studiere! Aber was Ordentliches, haben sie gesagt. Und heirate, haben sie gesagt. Baue ein Haus, haben sie gesagt. Bekomme zwei Kinder, haben sie gesagt.
Meine Klientin, Mitte 50, sitzt vor mir, in Tränen. Sie war doch immer brav. Hat das genmacht, was ihr gesagt wurde. Und was sicher gut gemeint war. Jetzt sitzt sie hier. Mit Depressionen. Mit Träumen. Mit Angst. Mit Zweifeln.
Eigentlich wollte sie Musik studieren. Nicht BWL. Heiraten? Wollte sie nie. Kinder? Vielleicht später. Ein Haus? Nein.Sie wollte reisen. Damals. Mit Anfang zwanzig.
Wo sind all die Träume hin?
Ja, wo sind sie hin? Verschwunden? Eher vergraben. Unter all den Erwartungen. Und den ursprünglich guten Wünschen. Der eigenen Erlebnisse und gelebten Konditionierungen in der Familie, vielleicht der Freunde, der Lehrer, der Bekannten. Und den gesellschaftlich-anerkannten Erwartungen (Abitur-Studium-Heiraten-Haus bauen-Kinder).
Daran selbst ist grundsätzlich nichts Schlechtes. Das, wo es kompliziert wird, sind die unbewusst übergestülpten “guten Ratschläge”, denen wir folgen, wenn das “Leben so richtig beginnt”. Wir denken gar nicht groß nach. Wir machen es einfach. Auch wenn das innere Gefühl vielleicht etwas anderes sagt. Dem trauen wir nicht so. Weil es keine Vorbilder für “ein anderes Leben” gibt.
Die Träume aber… sie leben weiter. Denn Träume sind nicht dazu bestimmt aufgegeben zu werden.
Was genau bedeutet Selbstverantwortung?
Von Selbstführung hat der ein oder andere vielleicht schon gehört. Aber Selbstverantwortung?
Im Wesentlichen besteht das Wort aus zwei Teilen: dem Selbst und der Verantwortung.
Das Selbst ist unser Kern. Die Psychologie nennt es “das Zentrum der menschlichen Persönlichkeit”.
Verantwortung ist letztlich das Wissen über unsere Fertigkeiten, Fähigkeiten und Erfahrungen, welche uns als Mensch Entscheidungen treffen – und handeln lassen. Hier sind ebenfalls das tiefe Wissen unseres Bauchhirns eingeschlossen. Eigenständiges Handeln und die Konsequenzen daraus = Selbstverantwortung.
Der Zusammenhang zwischen “Selbst” und “Verantwortung” wird besonders deutlich, wenn wir den Begriff “Selbstverantwortung” betrachten. Selbstverantwortung ist das Bewusstsein des Selbst über seine Rolle und seine Pflichten, die Verantwortung für seine Handlungen und Entscheidungen zu übernehmen. Es bedeutet, dass das Individuum – das “Selbst” – die Kontrolle und Verantwortung für sein eigenes Leben übernimmt.
Es erkennt an, dass die eigenen Entscheidungen und Handlungen direkte Auswirkungen auf das persönliche Wohlergehen und die Qualität des Lebens haben. Es ist die Fähigkeit des Selbst, Entscheidungen zu treffen und die Konsequenzen dieser Entscheidungen zu akzeptieren. Es ist auch das Engagement des Selbst, aus Erfahrungen zu lernen und sich ständig weiterzuentwickeln. In diesem Sinne ist Selbstverantwortung ein Ausdruck der Selbstbestimmung und der persönlichen Autonomie.
Also ganz plakativ zum Beispiel:
Du hast Dir vorgenommen endlich gesund zu essen, also weniger nebenbei “irgendwas” – und stattdessen mehr selbst zu kochen. Frisch. Bio. Vom Markt. Am Anfang läuft alles super, Du kaufst gerne auf dem Markt ein, probierst neue Rezepte aus und fühlst Dich gut. Das Essen bekommt Dir sehr und Du fühlst es in Deinem Körper, Du schläfst entspannter und Deine Haut ist viel klarer.
Und dann kommt ein super-stressiger Tag nach Deinem Urlaub und Du willst am Abend einfach nur schnell eine Pizza aus dem Kühlregal holen.
Jetzt könntest Du sagen, “Ach, ich hatte einen harten Tag, ich verdiene das” oder “Ich habe keine Zeit zum Kochen”. Aber tief im Inneren weißt Du, dass das Ausreden sind.
Selbstverantwortung bedeutet in diesem Moment, zu sagen: “Nein, nix da.” Du gehst nach Hause, kochst Dir eine einfache leckere Mahlzeit und fühlst Dich hinterher super. Das ist Selbstverantwortung – Du übernimmst die Kontrolle über Deine Entscheidungen und stehst zu ihnen, auch wenn es manchmal schwer ist.
Fremdbestimmt: Das gesellschaftliche “Normal”, welches selten hinterfragt wird
Jetzt ist die Welt aber kein Instagram-Ponyhof. Unsere Welt ist im Wesentlichen von Fremdbestimmung geleitet. Das gilt als das “Normal”. Leider wird es sehr oft nicht einmal hinterfragt. Wieso? Wir lernen von klein auf, “wie die Welt funktioniert” – wieso sollten wir dies in Frage stellen? Oma, Opa und auch schon davor – das Leben war doch “schon immer so”. Oder?
Oder.
Gesellschaftliche Fremdbestimmung beginnt früh im eigenen Leben und geht immer weiter. Wenn das, was wir tun, nicht von uns selbst gewollt und bestimmt ist. Zum Beispiel:
- Kindheit: Ein Kind wird von den Eltern dazu gedrängt, ein Instrument zu lernen, obwohl es lieber Sport treiben möchte
- Schulzeit: Ein Schüler soll sich – um die schlechteren Noten auszugleichen – auf naturwissenschaftliche Fächer konzentrieren, obwohl seine Leidenschaft in den Sprachen liegt
- Jugendliche: Ein Teenager wird von Freunden unter Druck gesetzt, riskante Verhaltensweisen wie Rauchen oder Trinken auszuprobieren, obwohl er dies ablehnt
- Erwachsenenalter: Eine Person bleibt in einem unerfüllenden Job, weil die Familie oder Gesellschaft erwartet, dass sie finanziell erfolgreich ist, obwohl sie lieber kreativ arbeiten würde
- Ernährung: Ein Vegetarier wird in einer Gruppe von Fleischessern dazu gedrängt, Fleisch zu essen, obwohl er dies aus persönlichen Gründen ablehnt
- Gesundheit: Jemand wird von der Familie dazu gedrängt, eine bestimmte medizinische Behandlung zu verfolgen, obwohl sie eine alternative Methode bevorzugen würde.
- Beziehungen: Ein Erwachsener wird von seinen Eltern dazu gedrängt, jemanden zu heiraten, den sie für geeignet halten, obwohl er jemand anderen lieb
- Karriere: Ein Mitarbeiter wird von seinem Chef dazu gedrängt, Überstunden zu machen und Projekte zu übernehmen, obwohl er bereits überlastet ist und lieber mehr Zeit mit seiner Familie verbringen würde
All das sind tägliche kleine Beispiele unserer Fremdbestimmung, wie sie für die meisten Menschen “normal” erscheint. Aber das ist sie nicht: normal. Sie wurde – über langjährige Konditionierung und immer weiterer Weitergabe von Generation zu Generation zu unserem NORMAL gemacht.
Fremdbestimmung ist das Gegenteil von Selbstbestimmung und somit auch von Selbstverantwortung.
Oftmals laufen wir aber völlig auf Autopilot und machen einfach das, wie es uns vorgelebt oder erzählt wird. Das, was “man machen muss” und das, was man “nicht tun sollte”. Natürlich ist das auch kulturabhängig, aber die Basis-Fremdbestimmung bleibt ähnlich. Daß hinter all den gut gemeinten Ratschlägen und Tipps meist die Ängste des anderen liegen (“Ich würde an Deiner Stelle auf keinen Fall alleine verreisen.”) – das ist uns nicht bewußt. Wir lassen uns verunsichern und “fügen uns”. So, wie man es von uns allen erwartet.
In den meisten Kulturen – auch in sogenannten “fortschrittlichen Kulturen” – zum Beispiel ist “nicht verheiratet sein” zum Beispiel ein ganz heißes Eisen (“mit der stimmt doch was nicht”). Was wiederum viele Menschen – auch ganz unbewußt – keinesfalls unverheiratet die Grenze von 28 Jahren überschreiten lässt.
Bewusst – oder bewusstER – wird uns dies erst meist spät. Und meist geht dieses Erkennen mit einer großen Krise einher. “Eigentlich wollte ich nie heiraten.” “Ich wollte nie BWL studieren, aber das ist sicherer…” “Ich habe mir meinen Job nicht ausgesucht.”
Alles Aussagen von Menschen, die ihrer eigenen Selbstverantwortung für das, was sie selbst wollen oder nicht, nicht gefolgt sind – oder erst spät. Auf einmal wird ein altes Leben verlassen, völlig umgekrempelt, endlich authentisch gelebt. Aus dem Ingenieur wird ein Künstler, der auf große Leinwände malt, aus einem Unternehmer ein Almhirte, aus einer Hausfrau eine Atemtherapeutin.
Wie fühlt sich jemand, der – bewusst oder unbewusst – fremdbestimmt handelt?
- Machtlos: kontrolliert (von anderen) und ohne Einfluss auf eigene Handlungen
- Frustriert: Eigene Wünsche und Bedürfnisse werden ignoriert
- Unzufrieden: Handlungen entsprechen nicht den persönlichen Werten
- Stress und Angst: Druck und Nervosität durch ständige Anpassung an fremde Erwartungen
- Wertlos: eigene Bedürfnisse werden nicht berücksichtigt
- Entfremdet: und unauthentisch – die wahre Identität wird unterdrückt
- Resigniert: keine Motivation mehr
- Innerlich zerrissen: Konflikte und Ärger durch Widerspruch zwischen Handlung und persönlicher Überzeugung
- Unzufrieden: durch mangelnde Selbstverantwortung
- Abhängig: von Bedürfnis nach Zustimmung und Akzeptanz von anderen
Wieso machen Menschen mit Selbstverantwortung morgens ihr Bett – und wieso dies unser Nervensystem stabilisiert
Wenn Du Dein Bett machst, wird Dir klar, dass die kleinen Dinge im Leben wichtig sind. Wenn Du also die Welt verändern willst, fang damit an, Dein Bett morgens zu machen.
Original: Making your bed will also reinforce the fact, that little things in life matter. So if you want to change the world, start off by making your bed.
By Admiral William H. McRaven
Was hat Selbstverantwortung mit unserem gemachten Bett zu tun?
Sehr viel: Wir beginnen den Tag mit einer kleinen und sehr effektiven Routine. Die erste kleine Aufgabe ist erledigt. Das Bett sieht kuschelig aus, gemütlich, frische Bettwäsche lädt für den Abend ein. Ein schönes Gefühl.
Ein Gefühl der (äußeren und gleichzeitig inneren) Ordnung. Ein Stück Kontrolle im eigenen Leben. Stabilität. Unser Nervensystem bekommt den Impuls “Alles gut hier”. Und das nimmt uns den Stress. Wir beginnen den Tag entspannt.
Selbstverantwortung heißt in erster Linie, Dich um Dich selbst zu kümmern. Und das tust Du mit einer Nervensystem-beruhigenden Struktur gleich als Erstes morgens: Dein Bett ist frisch aufgeschüttelt, es ist gelüftet, die Bettwäsche ist frisch und wird einmal die Woche gewaschen. Du kümmerst Dich um Dein Wohlbefinden. Und damit fängt Selbstverantwortung an: Bei Dir selbst.
Was bedeutet Selbstverantwortung ganz konkret?
- Eigeninitiative: selbstständig Aufgaben erledigen, ohne darauf zu warten, dass jemand anderes sie einem zuweist
- Selbstbewusstsein: sich seiner eigenen Fähigkeiten bewusst sein und diese in verschiedenen Situationen anwenden
- Konsequenzen tragen: Fehler eingestehen und daraus lernen, anstatt die Schuld auf andere zu schieben
- Zielorientierung: persönliche Ziele setzen, wie beispielsweise den Abschluss eines Kurses oder das Erreichen eines Fitnessziels
- Selbstfürsorge: regelmäßig Sport treiben, gesund essen und ausreichend schlafen, um die eigene Gesundheit zu erhalten
- Problemlösung: bei Schwierigkeiten Lösungsstrategien entwickeln, anstatt das Problem zu ignorieren oder aufzuschieben
- Selbstreflexion: regelmäßig das eigene Verhalten und die eigenen Entscheidungen hinterfragen und ggf. anpassen
- Autonomie: eigene Entscheidungen treffen, auch wenn sie gegen die Meinung anderer gehen, wie z.B. den Wechsel des Jobs
- Integrität: im Einklang mit den eigenen Werten handeln, auch wenn es unbequem ist, wie z.B. die Wahrheit sagen, auch wenn sie unangenehm ist
- Selbstverbesserung: aktive persönliche Entwicklung, z.B. durch Weiterbildung oder das Erlernen neuer Fähigkeiten
Welche Auswirkungen hat Selbstverantwortung auf einen Menschen? Wie fühlt er sich?
- Selbstbewusst: stark und fähig – durch die Kontrolle über das eigene Leben
- Zufrieden: empfindet Erfüllung durch das Erreichen selbst gesetzter Ziele
- Unabhängig: frei und ungebunden, da er nicht von der Zustimmung anderer abhängig ist
- Resilient: widerstandsfähig gegenüber Rückschlägen, da er weiß, dass er die Kontrolle hat, um Situationen zu verbessern
- Authentisch: echt und wahrhaftig, da er nach seinen eigenen Werten und Überzeugungen lebt
- Positiv: hat eine positive Einstellung, da er aktiv seine Lebensumstände gestaltet
- Selbstwert: wertvoll und wichtig, da er seine eigenen Bedürfnisse und Wünsche berücksichtigt
- Motiviert: inspiriert, da er die Kontrolle über seine Ziele und Träume hat
- Frieden: erlebt inneren Frieden, da er die Verantwortung für sein eigenes Glück übernimmt
- Selbstvertrauen: sicher in seinen Entscheidungen und Handlungen, da er sie selbst bestimmt hat
Gamechanger für Deine Selbstverantwortung in einer fremdbestimmten Welt
In einer Welt, in der alles fremdbestimmt ist, ist es wichtig, sich selbst zu kennen. Das klingt einfach – und das ist es auch und wiederum auch nicht. Womit beginnst Du? Wie kannst Du wissen, wer Du wirklich bist?
Definiere Deine Werte: Was ist Dir wichtig? Was geht gar nicht? Was lässt Dich wohlfühlen? Wann bist Du in Aufruhr?
Wahrnehmen und Spüren: Tägliches Hineinspüren in das, was Dir gut tut und was nicht, ist essenziell! Warum? Weil Du ansonsten Deine Grenzen nicht spüren kannst.
Setze Deine persönlichen Grenzen: Und zwar da, wo Dein Bauchgehirn “Nein” oder “Stop” sagt.
Arbeite mit einem Mentor: Nicht, weil Du es nicht alleine kannst. Sondern weil ein professionelles Gegenüber Dir wertvolle Hinweise geben kann und Dich und Deine Grenzen in einem “Übungsraum” spiegelt und Du so schnell stabil wirst
Wege nach Rom gibt es Viele. Wichtig ist, Dir selbst klar zu sein, wo Du auf Deiner Skala der Selbstverantwortung stehst – und wo genau Du noch in der Fremdbestimmung bist. Und dann den Zeiger Stück um Stück zu verschieben.
Ich begleite Dich sehr gerne dabei – buche Dir einfach ein erstes Gespräch mit mir.
Ich wünsche Dir viele Erkenntnisse für Dich.
Alles Liebe, Christine
Ein spannender Beitrag. Danke für die Anregungen.
Für mich ist es oft schwer zu erkennen, wo meine Verantwortung aufhört. Wo muss ich loslassen und die Verantwortung dort belassen, wo sie hingehört. Bei Kollegen, beim Partner, beim Kunden……
Es gab eine Zeit, da fühlte ich mich für alles verantwortlich und folglich an allem Schuld.
Liebe Sandra.
sehr gerne. Herzlichen Dank für Dein Teilen.
Ja, das ist nicht so einfach. Zu tief sitzen unsere Prägungen und erlernten Abhängigkeiten. Oftmals hängt auch ein mehrgenerationaler “Schuld-Konflikt” dahinter, den es zu erkennen und aufzulösen gilt.